Holle

von Lexikon

„Frau Holle ist die All-Mutter und Erd-Mutter, die an der Quelle, an den Wurzeln des Weltenbaumes in dreifacher Gestalt wirkt – als die das Leben Gebärende, als die mütterliche Sorgende und das Leben Erhaltende, als die das Leben Nehmende und die Seelen der Toten Hütende. Gäbe es im deutschsprachigen Kulturraum noch einen lebendigen Schamanismus, sie wäre die Mutter aller SchamanInnen!“ (Nana Nauwald 2002, 41)

Dem Namen nach ist Frau Holle oder Holla dem german. Kulturkreis (→ Germanen) zuzuordnen. Von einem ersten einheitlichen german. Kulturkreis wird erst mit dem Beginn der Bronzezeit gesprochen, also ca. um 2000 v.u.Z. Je nach Region hieß Frau Holle auch Frau Holda, Hulla, Hulda oder Huldre. In german.-kelt. Mischgebieten verschmolz Holla mit kelt. (→ Kelten) → Göttinnen. Doch das Wissen um das Wesen dieser Leben spendenden und Leben zurücknehmenden Erdmutter reicht weit in die Geschichte der Menschheit zurück, wie u.a. die bis zu 32 000 Jahre alten weiblichen Statuetten (z.B. die dickbrüstige und -leibige Venus von Willendorf) mit den entsprechenden Leben spendenden Attributen bezeugen.
Mit zunehmender Entfremdung vom ganzheitlichen Verständnis der in der Unterwelt lebenden Erdmutter Holla oder Hel wurde aus der Hüterin der Unterwelt eine finstere Todesgöttin, die als Wächterin des Qualortes → Hölle erst im 13. Jh. in den Dienst der Kirche trat. Bis dahin hieß die Hölle noch halja oder hella und bedeutete „Jenseits“, „Totenreich“, „Unterwelt“.
In der german. Mythologie liegt der Ort, an dem Hel über die Unterwelt wacht, tief unter den Wurzeln der Weltenesche Yggdrasil (→ Weltenbaum). Ein Fluss trennt dort den Raum der Lebenden vom Raum der Toten. Wasser in Form von Teichen, Brunnen, Mooren und Sümpfen bildet den wichtigsten Zugang zum Reich der Unterwelt. In vielen dt. Sagen finden sich noch Erzählungen, in denen es sich um „Frau Hollens Teich“ handelt, um weise Frauen, die in einem Reich unter dem Wasser leben und belohnend oder strafend ins Leben der Menschen eingreifen.
Ein lebendiges Zeugnis vom Wissen um die Existenz der Holle oder Hel unter den Wurzeln der Weltenesche (→ Schamanismus) ist der Holunderbusch. So begrub man lange Zeit die Toten unter dem „Holler“, jenem Baum, unter dem in der mythischen Vorstellung die Toten lebten.

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